Körper. Σῶμα und Corpus in der antiken Philosophie und Literatur
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Körper. Σῶμα und corpus in der antiken Philosophie und Literatur

IV. Kongress der Gesellschaft für antike Philosophie

7. - 11. Oktober 2013 an der Ludwig Maximilians Universität München

Zum Thema

Obwohl die Körper und das Körperliche heute fast konkurrenzlos als das einzig Reale und im Leben Wichtigste gelten und den Zielort für reduktionistische Erklärungen aller Art bilden, gibt es erstaunlich wenig explizit philosophische Betrachtungen über das Wesen dieses vermeintlich so verlässlichen und manifesten Fundaments unserer Welt. Vielmehr glaubt man alles, was dazu zu sagen ist, der Physik und den anderen Naturwissenschaften überlassen zu dürfen. Dieses Versäumnis der Philosophie führt unter anderem dazu, dass philosophische Reflexion sich zunehmend nur auf das Sprachliche, Mentale und Subjektive verlegt und, was nach allgemeiner Auffassung real und in Wahrheit ist, bei den Naturwissenschaften aufgehoben sieht.

Auf der anderen Seite häufen sich zeitgenössische Debatten um den menschlichen Körper und seine Belange mit Stichworten wie ‚Körperwahrnehmung‘ ‚Körperbewusstsein‘ oder auch ‚Entfremdung vom eigenen Körper‘. Dabei wird leider oft übersehen, dass gerade die Antike den Körper keineswegs nur als Kontrastfolie gegenüber Konzepten wie Geist oder Seele ansah, sondern von früh an und sehr prinzipiell über das Wesen des Körpers als solchen und die charakteristischen Vorzüge und Schattenseiten des Körperlichen nachgedacht hat. Diese Gedanken gilt es, wieder ins Gedächtnis der aktuellen Diskussion zurückzurufen.

Der Körper präsentiert sich im antiken Denken mannigfaltig wie Proteus: Als Anker der Wirklichkeit, aber auch Gefängnis des Daseins. Das, was für sich getrennt steht, aber gerade deshalb sich zerstreut in unerreichbare Fernen von Raum und Zeit. Immerhin sichtbar und spürbar, doch zugleich scheinbar und vergänglich; das Teilbarste und Unteilbarste in einem. Erfreulich symmetrisch und berechenbar, dann wieder chaotisch und zufallsgeplagt. Der Körper tritt auf als konkurrenzlose Macht von Wirken und Leiden, taugt so als mögliche Stätte der Schönheit und des Lebens. Was einer ‚selbst’ ist, wird σῶμα genannt, aber auch der tote Überrest, der, wie Heraklit sagt, „eher wegzuwerfen ist als Mist“. Der Körper ist das Vortreffliche und das Verwerfliche; das Kranke und das Gesunde, das Heile und das Korrupte; Objekt der Begierde und Gefäß der Lust. Den einen ein bloßer Schein, den anderen alles und das einzig Wahre. Der Kongress erkundet den Proteus nach all seinen Auftritten und Masken im antiken Denken – als mathematisches und physisches, astronomisches und medizinisches, ontologisches und poetisches, haltgebendes und hinfälliges Gebilde der Realität.

Sektionen

Zu dem Rahmenthema des Kongresses werden 7 Sektionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten eingerichtet. Mit dieser Schwerpunktbildung soll freilich keine strenge Trennung nach Sachgebieten, sondern nur eine Gliederung mit einer Fokussierung der Fragestellung vorgegeben werden.  Zugleich soll diese Strukturierung zu einer Ausweitung der Thematik über die Grenzen der antiken Philosophie hinaus und einer Bezugnahme auf Probleme in Debatten der Gegenwart ermuntern. Geplant sind die folgenden Sektionen:

1. Was ist Körper? Die Frage nach dem Wesen des Körperlichen

Was sind Körper mit Blick auf die allgemeinen Prinzipien einer Philosophie? Darauf gibt es in der Antike ein erstaunlich breites Spektrum von Antworten. Nicht weniger divers sind die Reaktionen auf viele schwierige Anschlussfragen: Wie verhalten sich Raum und Zeit, Teil und Ganzes, Materie und das Werden, Kausalität, Leben und sinnliche Zugänglichkeit zum Wesen des Körpers überhaupt und zueinander?

2. Bewegte Körper: Die Körper im Getriebe der Natur

Das verbindet man klassischerweise mit dem Ausdruck Körper: ein dreidimensional raumerfüllendes Gebilde, das sich im Zuge der Bewegung kraft ursächlicher Verkettung als ein großer Zusammenhang der Dinge etabliert und in dieser Gestalt empirisch dingfest und naturwissenschaftlicher Betrachtung zugänglich ist. Hier besteht die größte Verwandtschaft zur modernen physikalischen Betrachtung, an die man heutzutage die Frage nach dem Körperlichen abzugeben pflegt.

3. Menschliche Körper: Ein Körper wie jeder andere auch?

Wie verhält sich die Welt der Körper im Allgemeinen zu unserem eigenen, sehr besonderen Körper? Für die einen ist er ein Spiegel des Universums, in dem sich die göttliche Ordnung des Kosmos in ihr selbst wiederkehrend konzentriert; für andere ein Produkt bildender, organischer Kräfte, das paradigmatische Werk der φύσις; für wieder andere ein bloßes Zufallsresultat und Spielball elementarer Mächte, aus denen er sich kaum zu einem selbstbestimmten Dasein zu emanzipieren vermag.

4. Gesunde Körper: Medizinische Wissenschaft und therapeutische Praxis

Zerbrechlichkeit und erstaunliche Leistungsfähigkeit des menschlichen Körpers erfordern nicht nur Pflege und Heilung, sondern begründen ein Interesse an wissenschaftlicher Durchdringung und technischer Beeinflussung des Körperlichen. Denn ohne Wissen um seine innere Konstitution und äußere Einflussfaktoren ist die Gesundheit des Körpers nicht sicher herzustellen.

5. Himmelskörper: Körper als Objekt astronomischer Betrachtung

Es ist ein Kennzeichen interesseloser Wissenschaft, wie sie zuerst die griechische Antike erfand, den Gesetzen der Bewegung nachzuforschen, denen die himmlischen Körper gehorchen. Dank ihrer Unwandelbarkeit scheinen sie vielen göttlich zu sein und nichts mit der Wirklichkeit gemein zu haben, die uns betrifft. Gelten hier eigene Regeln, die den irdischen fremd sind? Oder sind die Himmelskörper durch ihren kausalen Einfluss und gleiche geometrische Verhältnisse doch in einem homogenen Zusammenhang mit der irdischen Natur zu begreifen?

6. Sinnliche Körper: Ästhetische Erfahrung und künstlerische Gestaltung des Körperlichen

Auch die subjektive Sinneswahrnehmung, das Schöne und Hässliche, die Bildbarkeit und verführerische Kraft der Körper sind in der Antike ergiebigste Anknüpfungspunkte literarischer und philosophischer Auseinandersetzung – nicht nur bezogen auf die äußeren Körper in Kunst oder Architektur, sondern auch im Hinblick auf den eigenen Körper etwa in der Gymnastik und kosmetischen Raffinesse.

7. Mathematische Körper: Der Körper als Gegenstand mathematischer Theorie

Körper ist nicht nur das greifbare, in seiner Wurzel opake und sinnliche Phänomen, sondern auch und vielleicht sogar in erster Linie das, was dem schärfsten λόγος standhält und die strengsten Anforderungen des Intellekts zu erfüllen scheint. Ein mit dem Körper unerlässlich verknüpfter Sinn ist der des mathematischen Objekts, das seiner inneren Logik gehorcht und doch der äußeren Welt ihre Struktur verleiht – ein gerade in der Antike vieldiskutiertes Thema.

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